Interview October 31st, 2022 Interview mit Jan-Henner Theissen, Gründer von targetP! - Teil 2
Rubina Hatziparassidis
Rubina Hatziparassidis

Ungewisse Zeiten bedürfen zielgerichteter Maßnahmen – auch im Einkauf. Jan-Henner Theissen, Gründer und Geschäftsführer der Einkaufsberatung targetP!, weiß ganz genau, wie solche Maßnahmen auszusehen haben. In diesem zweiten Teil des Interviews verrät er uns, warum es noch nicht zu spät für gutes Risikomanagement ist und was er vom kommenden Lieferkettengesetz hält.

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Was macht ein modernes Risikomanagement denn so aus?

Wer vor zehn, zwölf Jahren ein Risikomanagement aufgebaut hat, war sehr stark auf die Motivation von Mitarbeitern, Auskunfteien und der daraus resultierenden Scheinsicherheit sowie Informationen diverser selbst gebastelter Excel-Listen angewiesen. Vieles war ad hoc und experimentell; effektiv war das nicht immer. Heutzutage hat man hingegen die Möglichkeit, sich digitale Lösungen anzuschaffen, die die Lieferkette monitoren, dich rund um die Uhr begleiten und dir einen ganz neuen Datenzugriff ermöglichen. Dementsprechend kann ich ein gutes Risikomanagement heute viel schneller hochziehen und von Tag eins gewinnbringend einsetzen.

Natürlich ist das aber nur ein Baustein. Genauso wichtig oder fast noch wichtiger sind sensibilisierte und gut ausgebildete Mitarbeiter, eine gelebte Risikokultur und agile Strukturen, in denen Risikoprävention methodisch aufgebaut wird. Nur so kann ich im Krisenfall schnell und systematisch reagieren.

Das bedeutet also nicht entweder Digitalisierung oder Risikomanagement, sondern viel mehr beides Hand in Hand?

Definitiv. Für mich ist und bleibt das Thema Risikomanagement einer der ersten Bereiche im Einkauf, wo der Begriff Digitalisierung sinnvoll verwendet werden kann. Hier hat man wirklich das erste Mal einen Schulterschluss zwischen Mensch und Maschine, wo ich sage: Damit erweitere ich die Organisation um ein Werkzeug, das mir etwas ermöglicht, was ich nicht mit Menschen machen kann - Stichwort Big Data. Und wenn ich dann auf der zweiten Schiene noch die Mitarbeiter für das Thema sensibilisiere, habe ich ganz rasch ein Risikomanagement, was nicht auf mehr Excel Listen oder selbst gestrickten Datenbanken beruht, sondern von vornherein wirklich diesen Schulterschluss sucht. Nur so entsteht digitaler Einkauf und nur so findet auch eine Weiterentwicklung der Organisation statt.

Jetzt kommt am 1.1.2023 zudem noch das neue "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten". Was meinen Sie, welchen Einfluss wird das auf einen Einkauf haben, der ohnehin schon im Krisenmodus operiert?

Das EU-Lieferkettengesetz erinnert mich sehr an das Conflict Minerals Gesetz, das 2013 in den USA eingeführt wurde. Ähnlich wie beim Lieferkettengesetz ging es auch hier darum, die Lieferkette transparent zu machen und zu schauen: Wo habe ich entlang meiner Lieferkette eventuelle Verstöße gegen Menschenrechte? Oder Verstöße gegen Umweltschutzrichtlinien bzw. den Lebensraum von Mensch und Tier? So gesehen ist das Lieferkettengesetz also nur eine logische Konsequenz von diversen Initiativen, die in unterschiedlichen Ländern schon in den letzten Jahren gestartet wurden.

Das heißt, dass Sie dem neuen Lieferkettengesetz eher optimistisch entgegenblicken?

Es wird sicherlich eine spürbare Auswirkung auf die Unternehmen geben, keine Frage. Zum einen werde ich als Unternehmen, nicht nur als Einkaufsorganisation, sicherlich Geld investieren müssen, um das Thema umzusetzen. Das umfasst neben Beratungsexpertise auch digitale Lösungen. Zum anderen ist man gezwungen, sich mit Themen zu befassen, die in der Vergangenheit vielleicht unter den Tisch gefallen sind - Stichwort Risikomanagement. Auf der anderen Seite kämpfen gerade mittelständische Organisationen immer noch stark damit, ihre Lieferkette wirklich zu verstehen. Und jetzt haben sie endlich die Chance, Transparenz in ihrer Lieferkette herzustellen. Eben auch dank dieser “Gesetzeskeule” in der Hinterhand.

Aber kommt das Gesetz jetzt nicht zur genau falschen Zeit?

Ich sage es mal so. Das Lieferkettengesetz wurde jetzt schon seit Jahren eingefordert und wenn ich im Geschäft bleiben möchte, wenn ich bei meinem Kunden weiterhin gelistet sein möchte, muss ich es jetzt einfach machen. Natürlich kommt das Gesetz dabei für manche auch zur falschen Zeit. Andererseits, wenn ich mich aktuell ohnehin mit großen Themen wie dem Risikomanagement befasse, habe ich mit dem Lieferkettengesetz direkt eine Sache, die dieses Thema wunderbar ergänzt. Natürlich hat das auch Auswirkungen auf mein Tagesgeschäft, was aktuell schon stressig genug ist; gleichzeitig hat es aber auch positive Auswirkungen, wenn ich beide Themen jetzt zusammen angehe und mir so die doppelte Arbeit in den nächsten Jahren spare.

Haben Sie zum Abschluss denn noch einige Tipps oder “Quick Wins”, die Sie Verantwortlichen aus dem Einkauf mit auf den Weg geben wollen?

Auch wenn das vor dem Hintergrund limitierter Ressourcen jetzt etwas kontraintuitiv erscheinen mag: Mehr Personal innerhalb der Organisation würde vielen zur aktuellen Zeit sicher guttun. Ich weiß aus meiner langen Zeit als Einkaufsleiter natürlich, dass gutes Personal nicht einfach vom Himmel fällt. Aber ich glaube schon, dass wir in einer Situation sind, wo zusätzliches Personal und auch zusätzliche digitale Lösungen dazu führen, dass Arbeitsergebnisse mit hoher Geschwindigkeit besser werden. Trotz zusätzlicher Kosten Außerdem ist gutes Tracking aller geplanten und gestarteten Optimierungsmaßnahmen unheimlich wichtig. In vielen Einkaufsorganisationen gibt es dazu auch schon tolle Ideen, nur in der Umsetzung hapert es. Aber auch hier gibt es ganz tolle digitale Lösungen auf dem Markt, die mir helfen, Maßnahmen schnell und professionell umzusetzen. Und das schafft wiederum Handlungsspielraum, sodass darauf aufbauend Themen wie Kostensenkung oder Produktionsverlagerungen angegangen werden können.

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