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Ungewisse Zeiten bedürfen zielgerichteter Maßnahmen – auch im Einkauf. Jan-Henner Theissen, Gründer und Geschäftsführer der Einkaufsberatung targetP!, weiß ganz genau, wie solche Maßnahmen auszusehen haben. In diesem Interview verrät er uns, wie gerade digitale Lösungen den modernen Einkauf prägen, warum es noch nicht zu spät für gutes Risikomanagement ist und was er vom kommenden Lieferkettengesetz hält.
Herr Theissen, Sie haben kürzlich ein Buch mit dem Titel “Digitaler Einkauf im Mittelstand” herausgebracht. Damit wollen Sie kleinen und mittelständischen Unternehmen Mut machen, sich endlich zu digitalisieren. Was meinen Sie, warum geht diese Transformation nach wie vor so langsam vonstatten?
Genau diese Frage wollen wir beantworten: Warum geht es oftmals so schleppend voran? Ich hatte das Glück, bereits im Jahr 2002 mein erstes Projekt in dieser Richtung zu betreuen; damals noch wie eine Art Pionier. Aber jetzt haben wir das Jahr 2022 und das, was ich und auch viele Kollegen von mir sehen, ist, dass es immer noch eine sehr große Zurückhaltung und teils sogar Angst beim Thema Digitalisierung des Einkaufes gibt. Gleichzeitig fehlt an vielen Stellen auch einfach das Verständnis, was Digitalisierung in seiner ganzen Konsequenz überhaupt bedeutet. Digitalisierung umfasst nämlich viel mehr als einfach nur ein oder zwei digitale Systeme zu kaufen und dann zu implementieren.
Und Sie möchten in Ihrem Buch jetzt mit dieser Fehleinschätzung aufräumen?
Nach all den Projekten, die wir gemacht haben, dachten wir: Lass uns doch mal unsere Erfahrungen teilen. Lass uns doch einfach mal versuchen, den Leuten abseits der klassischen Literatur und der klassischen Heldengeschichten etwas an die Hand geben, was ein wenig die Angst nimmt und etwas mehr Klarheit bringt. Was heißt es, sich für den Einkauf bestimmte digitale Lösungen anzueignen? Was kann ich damit wirklich erreichen? Wie kann ich meinen Wertbeitrag verbessern? Wie kann ich meine Schlagkraft als Einkauf erhöhen? Einfach das Verständnis zu schärfen, was Digitalisierung für mich wirklich machen kann.
Aber nur dieses Verständnis zu erlangen, reicht noch nicht aus, oder?
Auch wenn ich mich jetzt unbeliebt mache: Man erlebt leider immer noch Einkaufsleiter im Mittelstand, die sich sehr schwertun, diese Themen intern zu argumentieren und die dann beim ersten Widerstand direkt klein beigeben. Das finde ich sehr schade, weil ich im Einkauf gewohnt bin, Dinge durchzusetzen und gegebenenfalls mit Widerstand klarzukommen. Schuld daran ist aber genauso sehr auch die externe Sicht der Systemanbieter, denen es genauso schwerfällt, diese Botschaft zu vermitteln.
Schauen wir mal auf die aktuelle Lage der Weltwirtschaft. Die müsste dem Einkauf die letzten Jahre doch eigentlich in die Karten gespielt haben, oder wie sehen Sie das?
Die letzten Jahre haben den Einkaufsabteilungen definitiv in die Karten gespielt. Einfach auch weil man gesehen hat, was es heißt, wenn auf einmal Lieferketten nicht mehr stabil sind und wenn Verfügbarkeiten nicht mehr garantiert sind; was ein Einkauf für ein Unternehmen genau in so einer Situation leisten kann, wenn er schlagkräftig ist und wenn er dann auch die Mittel hat, um zu agieren. Ich denke, das war für viele Unternehmen schon ein echter Aha-Effekt in den letzten Jahren. In der Zeit haben auch viele Führungspersonen gemerkt: Wir müssen jetzt in den Einkauf investieren.
Spüren Sie dieses Umdenken denn aktuell auch in den Unternehmen, die Sie mit Ihrer Firma beraten?
In den letzten Monaten hat sich das Geschäft nach Aussage einiger Partner und Anbieter digitaler Lösungen wieder etwas verlangsamt, weil mehr auf das Thema Kostenmanagement geschaut wird. Jetzt heißt es eher: Ja, wir wollen in digitale Lösung investieren, aber wir müssen halt vorher noch Geld in andere Dinge stecken; beispielsweise in neue Lieferbeziehungen oder die Verlagerungen von Produktionsstätten. Die aktuelle Situation ist also auf der einen Seite perfekt für den Einkauf, um zu zeigen, was er erreichen kann, um ein Unternehmen in einer Krise zu stabilisieren. Auf der anderen Seite besteht natürlich das Problem, dass die entsprechenden Mittel gerade einfach nicht vollumfänglich oder wie budgetiert vorhanden sind. Und dann wird es ohne die richtigen Argumente natürlich relativ schwierig.
Gehört neben Geld aktuell also auch Mut dazu, um die Situation langfristig in den Griff zu bekommen?
Der zweite Aspekt ist der Wichtigere, um die Situation in den Griff zu bekommen. Sich nur auf Geld sparen zu reduzieren, ist zu wenig. Aus dieser Schiene möchte der Einkauf auch schon seit Langem heraus, nur als die Geldsparmaschine wahrgenommen zu werden. Stattdessen wollen wir ja einen ganzheitlichen Wertbeitrag leisten. Das heißt in Zeiten wie diesen eben, dass das Material pünktlich ankommt, dass ich in der Lage bin zu produzieren und zu liefern und damit vielleicht auch einen Wettbewerbsvorteil für mein Unternehmen zu generieren. Aber auch, dass ich stabile Lieferketten habe und auch in Zeiten einer Krise in der Lage bin, mit Innovationen um die Ecke zu kommen. Nur das erfordert eben Mut.
Aber dauert das angesichts der aktuell so schwierigen Lage nicht alles viel zu lange?
Wenn ich jetzt investiere, habe ich durchaus die Chance, sofort diesen berühmten Return-on-Investment zu erzielen. Fange ich beispielsweise jetzt an, meine Kosten zu managen oder Kostenoptimierungsprojekte zu starten und setze ich diese professionell und mit der Unterstützung digitaler Lösungen um, dann werde ich die Erfolge direkt oder schon sehr bald sehen.
Sie fokussieren sich neben der Digitalisierung außerdem noch auf das Thema Risikomanagement. Wie kann dieser Bereich aktuell helfen? Und fängt gutes Risikomanagement nicht bestenfalls schon vor der Krise an?
Goldrichtig, Risikomanagement fängt immer schon vor der Krise an. Mittlerweile gehen die Prognosen von Wirtschaftsinstituten oder von Risikoexperten davon aus, dass es vor 2023 oder 2024 vorerst nicht einfacher werden wird. Eigentlich will ich nicht in dieses schwarze Horn stoßen, aber auch wir gehen davon aus, dass die nächsten zwei Jahre mehr als herausfordernd werden. Das Thema Risikomanagement ist deshalb nach wie vor eine Top 3 Priorität für jede Einkaufsorganisationen.
Im zweiten Teil des Interviews verrät uns Jan-Henner Theissen dann, wie modernes Risikomanagement aussehen kann und was er vom kommenden Lieferkettengesetz hält.
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