January 11th, 2023 Interview mit Dr. Ulrich Piepel - Teil 1
Samir Kharkan
Samir Kharkan

Maverick Buying stellt auch heute noch viele Einkaufsabteilungen vor große Probleme; und das meist völlig unbemerkt. Wir haben mit Dr. Ulrich Piepel, ehem. CPO von RWE AG und innogy SE und heute Berater und Business Angel für digitalen Einkauf, über seine Sicht auf den “wilden Einkauf” gesprochen. Im zweiten Teil des Interviews gibt er uns außerdem tiefe Einblicke in seine Zeit als Einkaufsleiter mehrerer großer Konzerne und wagt mit uns einen Blick auf die zukünftigen Megatrends der Branche.

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Herr Dr. Piepel, der Fokus des heutigen Interviews liegt auf dem Thema Maverick Buying, auch “wilder Einkauf” genannt. Aus Ihrer Sicht als langjähriger CPO und Einkaufsleiter: Welche Gefahren ergeben sich durch Maverick Buying in einem Unternehmen?

Da gibt es einige, wenn Sie mich fragen. Die größte Gefahr ist sicher, dass der Einkauf seine Professionalität gar nicht richtig zur Entfaltung bringen kann, weil der Fachbereich ohne die Einbindung des Einkaufs agiert. Daraus folgt, dass im Sinne des Unternehmens oftmals viel zu schlechte Deals abgeschlossen werden, nicht richtig ausgeschrieben wird oder kein richtiger Wettbewerb stattfindet und damit Millionen oder noch mehr auf der Straße liegen bleiben. Das gilt für ganz viele Unternehmen auch heute noch, egal ob groß oder klein; insofern ist “Maverick Buying” nach wie vor ein wichtiges Thema.

Trotzdem kommt es in vielen Unternehmen nach wie vor zu Maverick Buying. Wie kann das eigentlich sein?

Ich möchte vorab eins festhalten: Der Einkauf stellt eine essenzielle operative Abteilung in jedem Unternehmen dar. Und der Einkauf keine Servicefunktion, wie viele gerne sagen, sondern fokussiert sich auf die Wertschöpfung im Unternehmen und die Unterstützung der Fachbereiche. Entgegen meiner persönlichen Einschätzung wird der Einkauf aber nach wie vor oftmals stark unterbewertet. Zudem ist Einkauf auch kein einfaches Thema, und trotzdem versuchen die Fachbereiche immer, die Dinge schnell und in Eigenregie zu machen. Ganz nach dem Motto: Einkaufen kann ja jeder, das machen wir im privaten Leben ja auch professionell.

Dementsprechend glauben die Fachbereiche in vielen Fällen auch, dass sie ganz einfach eigenständig einkaufen können, da der Einkauf die Dinge ohnehin nur unnötig komplex macht. Was viele aber vergessen: Man benötigt eine Menge Know-how und Erfahrung, um vernünftig einkaufen zu können. Leider gibt es aber in vielen Unternehmen eine Vielzahl von Einkaufsaktivitäten, die weiterhin am Einkauf vorbei laufen, und das völlig unbemerkt. Ein solches wildes Einkaufen oder eben Maverick Buying ist natürlich desaströs, das weiß ich aus meiner eigenen Erfahrung nur zu gut.

Aus Ihrer Zeit bei RWE zum Beispiel?

Als ich bei RWE als CPO angefangen habe, haben wir nach kurzer Zeit auch die ersten Maverick-Buying-Messungen durchgeführt. Wir waren je nach Tochterunternehmen und Bereich in einer Größenordnung von 10 bis 20 % des Einkaufsvolumens, welches am Einkauf vorbei lief. Durch konkrete Messungen und anschließende Gespräche mit den betroffenen Fachbereichen konnten wir dann schrittweise das Maverick-Buying-Volumen in den Promillebereich verringern. Es gilt nach wie vor: Wenn man Maverick Buying nicht misst, kann man es auch nicht verhindern.

Eine gute Messung im Einkauf ist also essenziell, um Maverick Buying zu erkennen und zu verhindern?

Also, eine Bemerkung vorab. Was würde der Marketingbereich sagen, wenn die Produktion im Unternehmen plötzlich das Marketing auf eigene Faust gestaltet? Oder der Rechtsbereich die Finanzierung des Unternehmens übernimmt? Das würde sicherlich sofortige Reaktionen des Managements und auch in der Folge Kündigungen der Verantwortlichen nach sich ziehen. Im Einkauf gilt dies jedoch in zahlreichen Fällen nicht. Insofern ist es aus Einkaufssicht ein enorm wichtiger Punkt, das ganze Thema “Maverick Buying” in den Griff bekommen, um so unternehmensweit zu zeigen: Wir sind der Einkauf und wir sind zu Recht für die professionelle Beschaffung aller Warengruppen im Unternehmen zuständig.

Daher muss jeder CPO das Thema Maverick Buying selbst in die Hand nehmen und Verstöße verfolgen. Ich vergleiche die Bekämpfung von Maverick Buying im Einkauf gerne mit der Polizei, die ohne jegliche Ausrüstung Vergehen und Straftaten vermeiden soll. Wenn man als Polizist beispielsweise kein Radarmessgerät dabei hat, dann weiß man auch nicht, wer zu schnell fährt; und dann ist man als Polizist auf der Straße relativ wirkungslos. Das Gleiche gilt für das Thema Maverick Buying im Unternehmen. Leider gibt es nämlich kaum Software, die die Messung von Maverick Buying automatisiert. Wir hatten in unseren Unternehmen früher immer SAP im Einsatz und diese Software liefert wie so viele andere Wettbewerbsprodukte schlichtweg keine Kennzahlen zu Maverick Buying. Um den wilden Einkauf zu bekämpfen, muss man diesen also zunächst messen. Und das ist ohne Datenmanagement und Software gar nicht so leicht und meistens mit relativ hohem Aufwand verbunden.

Wieso lässt sich Maverick Buying ohne Software denn nur so schwer messen?

Um das hier etwas ausführlicher zu erläutern: Alles, was in einem Unternehmen am Einkauf vorbei gekauft wird, taucht logischerweise in den Materialwirtschafts- und Einkaufsystemen gar nicht erst auf. Das liegt daran, dass in diesen Fällen die Fachbereiche meist einfach per Freitext, per Fax oder per Telefon bestellen. Also muss man im Einkauf erst einmal die tatsächlich getätigten Bestellungen mit dem gesamten Rechnungsvolumen aller Lieferanten abgleichen. Hier sieht man dann beispielsweise, dass bei einem Lieferanten ein Rechnungsvolumen von 3 Millionen, im Einkaufssystem aber nur ein Betrag von einer Million verbucht wurde. Und dann weiß man: Aha, 2 Millionen sind am Einkauf vorbeigelaufen. Um all das herauszufinden, muss man aber vorher recht aufwendig Tabellen miteinander vergleichen und analysieren. Und das ist gerade bei großen Unternehmen mit Tausenden von Lieferanten in zahlreichen Ländern keine leichte Aufgabe.

Könnte diese Aufgabe nicht einfach von einer Software wie SCALUE übernommen werden?

Gute Frage, denn SCALUE hat genau für dieses Problem eine Standardfunktion. Dazu zieht sich die Software ganz einfach die beiden oben genannten Datenfelder aus dem ERP-System, gleicht diese ab und wertet dann automatisiert aus, was am Einkauf vorbeiläuft. Insofern lohnt sich schon allein für die Messung von Maverick Buying die Einführung von SCALUE. Nehmen wir nur mal an, dass ein Unternehmen eine Maverick Buying Quote von 10 % bei einem Einkaufsvolumen von einer Milliarde Euro hat. Dann entspricht das 100 Millionen Euro, die am Einkauf vorbeigehen und bei dem man durch gezielte Verhandlungen hohe Beträge schnell und effizient einsparen könnte. Einen schnelleren Return on Investment (ROI) findet man bei der Einführung einer Software sonst fast nirgendwo.

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In welchen Formen drückt sich Maverick Buying im Unternehmen denn sonst noch aus?

Es kann natürlich auch passieren, dass der Einkauf im Prozess selbst nicht involviert war, aber dann zu einem späteren Zeitpunkt eine Bestellung oder Rechnung auf den Tisch gelegt bekommt. In einem solchen Fall muss der Einkauf dann im Nachgang eine Bestellung erzeugen, damit das Rechnungswesen den Vorgang überhaupt einer Bestellung zuordnen kann. Manche Leute sagen, das sei kein richtiges Maverick Buying, da ja nun eine Bestellung vorliegt; das ist jedoch Unsinn. Gleiches gilt übrigens, wenn der Einkauf erst dann eingeschaltet wird, wenn der Fachbereich schon alles verhandelt hat und der Einkauf die Bestellung nur noch ausführt.

Aber auch solche Vorgänge werde ich ohne die richtige Messung vermutlich nicht aufdecken können, oder?

Absolut. Jetzt ist es aber leider so, dass die frühzeitige Einbeziehung des Einkaufs leider schlicht zu wenig oder gar nicht gemessen wird. Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht auch wichtig, dass das Controlling die Messmethodik im Einkauf akzeptiert und nachvollziehen kann und dass zudem die Ergebnisse von der Revision akzeptiert werden.

Warum sehen Sie das als wichtigen Zusatz an?

Das liegt meines Erachtens auf der Hand. Wenn ich die Kennzahlen im Einkauf nicht von den relevanten Fachbereichen bestätigen lasse, wie soll dann der Einkaufschef seine Ziele in unternehmensweit akzeptierter Weise umsetzen können? Außerdem sollte ein Einkaufsleiter auch berichten, in welchen Fachbereichen Maverick Buying genau aufgetreten ist. Nur dann kann man diese Abweichungen direkt ansprechen und die Verantwortlichen in die Pflicht nehmen.

Jetzt haben wir die monetären Gefahren sowie die Wichtigkeit der Messung von Maverick Buying ausführlich beleuchtet. Was wir aber noch gar nicht besprochen haben, ist die Auswirkung von Maverick Buying auf das Ansehen des Einkaufs. Wie sieht Ihre Meinung da aus?

Die Kennzahl “Maverick Buying” hat zwei Seiten: Die erste Seite ist die Akzeptanz des Einkaufs im Unternehmen. Eine hohe Maverick-Buying-Quote kann auch für eine schwache Performance oder Akzeptanz des Einkaufs stehen. Nämlich dann, wenn der Fachbereich mit der Leistung des Einkaufs aus subjektiver Sicht nicht zufrieden ist. Hier sollte sich der Einkauf selbstkritisch hinterfragen. Aus meiner Erfahrung sollte diese Kritik jedoch in der Regel nur einzelne Einkäufer bzw. Warengruppen betreffen. Hier kann Abhilfe durch Ausbildung, Neueinstellungen oder monatliche Regelgespräche mit dem Fachbereich geschaffen werden

Auf der anderen Seite stellt Maverick Buying eben eine unprofessionelle und nicht zu akzeptierende Haltung des Fachbereichs dar. Und kein Einkaufschef ist gut beraten, diese Auswüchse beim Maverick Buying zu tolerieren, denn so verliert der Einkauf sein Standing und seine Kredibilität im gesamten Unternehmen.

Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir mit Dr. Ulrich Piepel über seine Erfahrungen als Einkaufsleiter verschiedener großer Konzerne und welche Praxis-Tipps er Einkaufsleiter_innen mit auf den Weg geben kann.

Den zweiten Teil können Sie hier ab dem 13. Januar lesen!




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